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1992 - 2024
32 Jahre entwicklungspolitische Arbeit

 

Eine Rose und 1000 Soldaten - Teil 2
von Julia Ozorio Gamecho/Hermann Schmitz
01.09.10     A+ | a-
Als Beute auf der quinta des coronel Noch viele schreckliche Dinge habe ich in späteren Jahren meines Lebens gesehen und gehört, auch beinahe Undenkbares. In diesem Moment, so jung ich auch war und so wenig ich begriff, formten meine Lippen das Wort „Gott“: „Mein Gott, hilf´ mir doch! Wo bist du?“ Als der coronel schlecht gelaunt aufwachte, störten ihn offensichtlich sogar die Dienstgrade: „Heute sagt niemand ´coronel´ zu mir, für alle gilt nur Señor!“ Er schien sogar seiner Macht überdrüssig und nichts mehr finden zu können, das ihm Befriedigung verschaffen konnte. So suchte er sich auf Kosten der Soldaten zu zerstreuen, er befahl ihnen: „Nutzloses Pack! Putzt mir die Stiefel auf Hochglanz!“ „Es gibt keine Schuhwichse, coronel“, drucksten die  Soldaten ängstlich herum, „wie sollen wir sie zum Glänzen bringen?“ „Mit der Zunge!“, antwortete er und fügte hinzu: „Wenn ihr es gut macht, kriegt ihr eure Belohnung dafür.“ Als ich das Wort „Belohnung“ hörte, dachte ich an ein Stück Schokolade, aber jetzt erschien der coronel im Schlafzimmer und sagte zu mir: „Pass´ auf, kleiner Floh, geh´ nach draußen  -  aber ohne Kleider!“ Als ich das Zimmer verließ, rief er mir nach: „Du bist ihre Belohnung. Lauf vor ihnen herum  -  so, wie du auf die Welt gekommen bist.“

Die Soldaten waren zwischen siebzehn und achtzehn Jahren, ich wusste nicht, wie sie reagieren würden. Sie zitterten unter den Blicken des coronel, der zu ihnen sagte: „Sollten einige von euch noch nicht den Körper einer Frau kennen  -  hier seht ihr einen, mit meiner Erlaubnis. Wer will uns zeigen, dass er ein macho ist?“ 
  
Zwei der Rekruten fummelten an mir herum, drei hielten sich zurück. „Fasst sie doch an, oder seid ihr etwa schwul?! Gefallen euch die Frauen nicht?“ Vielleicht wussten einige nicht, was „schwul“ bedeutet, sie antworteten: „Nein, uns gefallen die Frauen wohl, aber nicht dieses Kind, wir haben nämlich auch kleine Schwestern in der Familie und müssen an sie denken.“   

Einer trat aus der Reihe und erklärte  -  noch mutiger: „Mein coronel, Sie können mich bestrafen, wie Sie wollen, aber bitten Sie mich nicht, diese Kleine anzufassen.“Der coronel wurde wütend, ging fluchend raus und brüllte: „Mich stört das Wort ´Familie´, ihr lebt hier nicht mit eurer Tante! Lasst hören, ob ihr Männer seid, oder ob ihr ´Hundertacht´ werden wollt!“ Stroessner hatte angeordnet, Homosexuelle zu töten, Polizei und Militär gab er freie Hand. Hundertsieben waren schon  ermordet worden, und der coronel hatte schon die Nummer 108 im Visier.
 
Miers hielt sich für einen ganz Großen, weil er sich an wehrlosen Mädchen wie mir vergreifen konnte. Jedes Mal, wenn er seine sexuellen Lüste an mir abreagiert hatte, wachte ich mit einem Körper voller blauer Flecken auf, wie beim ersten Mal. Einmal, als es besonders schlimm war, musste ich einen Rest Whisky mit Salz und Soda vermischen, mit dieser „Medizin“ rieb er meinen ganzen Körper ein, damit die Verletzungen, welche er selber, die Bestie, mir zugefügt hatte, schneller heilten. Ich lernte, alle Schmerzen zu ertragen, denn schon in der ersten Nacht, in der er mich nahm, warnte er mich davor zu heulen. Nicht einmal das Weinen seiner Mutter ertrüge er, es berühre ihn auch nicht. Noch viel weniger das Flennen eines dummen Mädchens. „Fordere mich nicht heraus“, sagte er eines Tages zu mir, „wecke nicht den Teufel, der in mir schläft, sonst wirst du es bereuen, geboren zu sein.“ Tausende Male spürte ich das heiße Verlangen, meinen Tränen freien Lauf zu lassen, aber ich lernte es zu unterdrücken und mit dem Knoten in meiner Kehle zu leben.

Der Mann, der unser Landgut bewachte, erzählte mir, der coronel habe an einem anderen Ort  zehn Mädchen zu seiner freien Verfügung, in seinem Notizbuch vermerke er genau, mit welcher er die nächste Nacht zu verbringen gedenke. Bei uns waren fünf Mädchen eingesperrt, ich war die einzige mit heller Haut. Zwei Mal im Monat unterwarf er mich seinen Gelüsten. Das gab meinen Wunden Zeit zu vernarben. Wenn Miers zu trinken anfing, geriet er völlig außer Kontrolle. Er sättigte seine Gier auf meinen Körper auf jede erdenkliche Weise, wie seine Laune es ihm gerade eingab. Aus Scham kann ich nicht erzählen, was er dann alles mit mir anstellte. Hoffnung auf Capitán González Zwei Monate war ich schon seine Gefangene, niemals überraschte er mich weinend. Vielleicht glaubte er ja sogar, ich sei stärker als er, da ich niemals um Milde bat. Eines Tages sagte er zu mir: „Du, Flöhchen, sag´ mir, hast du eigentlich gelernt zu weinen?

Ich habe das nie bei dir gesehen wie bei den anderen dummen Mädchen, die ich hatte. Manchmal muss ich dich ansehen und mich wundern über deine Tapferkeit -  fast fühle ich mich heraus gefordert in deiner Gegenwart. Schade, dass du als Mädchen geboren bist, als Junge hättest du es bis zum General gebracht.“Bei vielen Gelegenheiten nannte er mich sogar „General“, ich verstand aber nicht, was es zu bedeuten hatte, dass ich nach seiner Meinung General hätte werden können. 

Einmal hatte er Besuch von einem anderen coronel, der von einem Mann begleitet wurde. Ich war zufällig draußen, die beiden coroneles besprachen etwas, wahrscheinlich ihre Schmuggel geschäfte. Der Señor  -  so nannte ich alle Männer, da ich nichts von ihren militärischen Rängen verstand  -  war den Anblick von Mädchen auf Miers´ quinta sicher gewohnt, mich aber schaute er fast liebevoll an, als erkenne er in mir das Bild einer Schwester oder Tochter.

 “Señor, darf ich zu Ihnen sprechen?“, fragte ich ihn. „Hör´ zu, Mädchen, worüber sollen wir denn reden? Nur wenn deine Fragen nicht verräterisch sind, antworte ich, so weit ich kann.“ Er erkundigte sich nach meinem Alter, dann stellte er sich vor als Capitán Marino González. Er war vielleicht 35 Jahre alt. Unvermittelt fragte er: „Sag´ mal, Mädchen, wer war das, der dich zu diesem üblen Burschen gebracht hat? Du kommst mir so klein und hilflos vor. All´ diese Mädchenbeschaffer verdienten den Tod, aber ich kann nichts machen. Sie stehen alle über mir, und vor diesem Verrückten Miers habe ich Angst, der würde mich gnadenlos töten.“ Als er sagte, er könne nichts machen, flossen mir die Tränen. „Señor, haben Sie Mitleid, helfen Sie mir, ich sah, wie zwei Mädchen starben, wegen einer Grippe dachte ich, aber als ich den coronel danach fragte, sagte er, er habe sie getötet, weil sie braune Haut hätten und Heulsusen seien.“ „Ich verspreche dir, dass du nicht sterben wirst, selbst wenn du noch so viel weinst in Gegenwart von Miers.  Ich werde nämlich mit General Rodriguez sprechen.“

War dieser Capitán mein rettender Engel? Ich fragte ihn, warum der coronel wohl „General“ zu mir sagte. „Ich glaube, das kann ich  dir erklären. Dem coronel gefällt es, dich zu behalten, weil du trotz deiner jungen Jahre einen wachen Geist und ein starkes Auftreten hast. Eine Frau mit  Charakter bewundert er vielleicht sogar, bestimmt aber ist er stolz auf dich. Deshalb rate ich dir, setze deinen Mut sparsam ein, so wird er deiner nicht müde, und du kommst vielleicht sogar frei.“ In die Freiheit! Ich müsste also mein Verhalten ändern. Vielleicht sollte ich doch öfter weinen und mich unterwürfig geben, er würde mich dann weniger als Frau sehen. „Dieser Bestie gefallen nur Frauen mit starker Persönlichkeit. Zeige ihm einen anderen Charakter, dann wird er dich bald ´Hühnchen´ nennen, wie die anderen.

Wenn er sich keine Befriedigung mehr verschaffen kann, interessieren ihn weder Alter noch Schönheit eines Mädchens, er verliert alles Interesse. Das hörte ich von Leuten, die ihn gut kennen. Dann lässt er sie frei, mit Hunderten hat er es so gemacht, er schafft sie zu irgendeinem einsamen Ort und lässt sie laufen, manchmal nackt. Sage niemandem, dass du mich kennst! Wenn Miers von unserem Gespräch erfährt, verbannt er mich noch heute zur Strafe in den Chaco! Verstehe dies als Rat eines Freundes von zwanzig Minuten, nenne beim  coronel  nur nicht meinen Namen!“

An diesem Tag lauschte ich schweigend seinem Rat, wusste gleichwohl nicht, wem ich denn nun glauben sollte. Ich hatte schließlich bei vielen Gelegenheiten gesehen, wie fürchterlich Miers die Heulsusen bestrafte. Das Bild des capitán aber bewahrte ich für immer auf. Der Jäger für den König der Löwen Manchmal versammelten sich ein paar Militärs auf der quinta und fingen an, über Miers zu reden, wenn der sich verspätete. Sie sagten: „Dieser verfluchte Wolf wirft wohl wieder seinen Haken aus, um ein süßes Täubchen zu angeln.“

Ich befand mich oft mitten unter ihnen, mancher gaffte mich an wie ein durstiger Hund, sonst aber geschah nichts, niemand von denen hat es gewagt, seine sexuellen Begierde an mir zu stillen, da ich ja die frische Beute des Wolfes war. Sie alle wussten, dass Miers auch der Frauenjäger für den König der Löwen war. Einer, der den Geschmack des Königs der Löwen genau kannte. Der Diktator wollte keine Mädchen ohne Manieren, es mussten schlaue señoritas sein, im Alter zwischen sechzehn und zwanzig. Blonde mochte er nicht, von möglichst hellbrauner Hautfarbe sollten sie sein.        

Ich erinnere mich an den Namen seiner Vorzugsdame, es war Ñata Legal. Sie war seine große Liebe, sie nahm er sogar mit zum Angeln. Die anderen waren nur flüchtige Geliebte. So erging es auch Blanca Sanabria aus meinem Dorf, auch sie vermochte Ñata Legal nicht zu entthronen. Die am Ende jedoch den Diktator unterwarf. Sie wurde zu seinem Albtraum und stellte ihm die letzte Falle.)

Ich erinnere mich an die Fragen, die der coronel stellte und die er sich selber beantwortete. Er ließ mich gar nicht zu Wort kommen und plapperte in einem fort: Er sei viel zu gut, müsse sich ändern, weniger menschlich sein. Ein Floh wie ich habe eigentlich auf dem Boden zu schlafen und nicht in einem Bett! Miers hasste einfache Leute, ja die ganze große Klasse der Armen, er war der Ansicht, dass sie alle, zusammen mit den Braunen, zu sterben hätten. Ich schaute ihn an, mit seiner braunen Haut, aber er meinte  nur, seine Haut sei arg strapaziert und verfärbt durch die viele Sonne, der er beim Fischen ausgesetzt war.

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